
Carpe diem. Diese einfache Aussage hat heute einen festen Platz unter den bekanntesten Kalendersprüchen. Doch dahinter steckt für viele Menschen eine ganze Lebensanschauung und -Philosophie.
Hinter seinen neun Buchstaben versteckt sich inhaltlich eine Haltung, eine Erinnerung den Moment festzuhalten, ihn zu ergreifen und die Frucht des Augenblickes zu pflücken und ihn zu genießen.
Doch was genau bedeutet diese so zeitlose Aussage genau?
Was bedeutet „carpe diem“?
Carpe diem stammt aus dem Latein. Wörtlich übersetzt bedeutet es „pflücke den Tag„. Der Satz wird heute dem großen römischen Dichter Horaz zugeschrieben. Dieser gilt, neben Vergil und Ovid, als einer der Urväter der römischen Dichtkunst. Seine bekanntesten Werke sind die „Ars poetica“, so wie die Ode „Carmina“.
Die Sentenz „carpe diem“ stammt aus seiner Ode „An Leukonoë“. Sie gilt als Fazit des Gedichtes und fordert dazu auf, das vergängliche Leben im Augenblick, im Heute, zu genießen und diesen bewussten Genuss des Moments nicht in die Zukunft zu verschieben.
Die deutsche Übersetzung lautet „Nutze den Tag“, oder „Genieße den Tag“. Somit ist der übergeordnete Sinn zwar erfasst, der Gedanke des Pflückens einer Frucht jedoch, ist abhanden gekommen. Während diese Wegnahme augenscheinlich keinen großen Effekt hat, nimmt sie gleichzeitig den Bezug zur Natur, vor allem dem bewussten Wahrnehmen der eigenen Einheit mit eben jener.
In späterer Verwendung stand die Aussage vor allem für eine möglichst einfache und ruhige Lebensweise. Fälschlicherweise wird sie heute häufig mit Aktivismus und Produktivität assoziiert. Also um möglichst viel aus einem Tag herauszuholen. Möglichst viel zu erreichen, ohne dabei Zeit zu verlieren.
„carpe diem“ historisch betrachtet
Nachdem Horaz den Satz in seinem Werk „An Leukonoë“ etwa 23 v. Chr. geprägt hat und er Verwendung in späteren römischen Philosophien und der Lyrik fand, fand er im Barockzeitalter wieder größere Bedeutung.
Diese große Epoche in der europäischen Kunstgeschichte währte etwa 200 Jahre, genauer von 1575 bis 1770.
Seine Ursprünge hat der Barock im heutigen Italien und verbreitete sich in fast alle Ecken Europas.
Damals war das Leben stark geprägt von Kriegen und großem Leid. Die Konsequenz war ein starkes Bewusstsein der Menschen für die knappe Lebenszeit und Vergänglichkeit.
„Carpe diem“ zählt als eines von drei prägenden Motiven jener Zeit. Daneben stehen „Vanitas“ und „Memento mori“.
Das Bedürfnis den lebendigen Augeblick in all seiner Größe zu erleben und zu genießen stand hier im Vordergrund, untermalt vom Bewusstsein eines plötzlich enden könnenden Lebens.
„Vanitas“ lässt sich mit Nichtigkeit übersetzen. Es beschreibt, dass der Mensch als solcher keine volle Gewalt über sein Leben hat und das alles irdische vergänglich ist.
„Memento mori“ bedeutet „bedenke, dass du sterblich bist“ und mahnt uns, der Vergänglichkeit des Lebens stets bewusst zu sein und aus diesem Bewusstsein heraus das uns verfügbare Leben auszukosten. Der Spruch soll in ähnlicher Fassung römischen Kaisern nach erfolgreichen Siegeszügen zugesprochen worden sein, um sie daran zu erinnern, dass auch sie Menschen waren.
In der christlich geprägten Periode gibt es einen nicht unerheblichen Widerspruch zu Horaz Intention hinter dem Satz.
Horaz war am Diesseits orientiert und mahnte, das einmalige Leben voll auszukosten. Im Gegensatz dazu war das Christentum am Jenseits orientiert. Somit wird Horaz‘ Genuss im christlichen Weltbild negativ dargestellt, als eine Möglichkeit das jenseitige Leben zu vergeuden.
„Carpe diem“ heute
Heute findet sich der bekannte Spruch auf Spruchkalendern, Tassen, Kleidung, in Pop und Kultur wieder.
Vor allem aus dem weltbekannten und bewegenden Film „Der Club der toten Dichter“ wird er vielen bekannt sein. Robin Williams als Lehrer predigt seinen Schülern dort die Wichtigkeit des Augenblicks und das Leben in seiner Ganzheit zu erleben und zu genießen.
Heute sind Begriffe wie Mindfulness, Achtsamkeit, YOLO, oder Hakuna Matata in aller Munde.
Auch sie lassen sich auf die Bedeutung des „carpe diem“ zurückführen.
Bewusstes Gewahrsein, achtsamer Umgang mit sich selbst und seiner Umwelt und das Entschleunigen einer immer schneller werdenden Welt.
Diese Prinzipien finden ihren Platz im Kopf vieler Menschen und so auch Horaz uralte Weisheit „carpe diem“.
Ein Hinweis seinen Tag zu nutzen, nicht um möglichst viel zu erledigen. Um die Dinge, welchen man sich widmet, in ihrer Gänze zu erleben und das erlebte vollumfänglich zu genießen.

Mein Name ist Anatoli Bauer und ich wohne ganz im Norden von Deutschland an der Nordseeküste in Husum. 1997 bin ich mit 9 Jahren als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. Seitdem habe ich mich leidenschaftlich gerne mit der deutschen Sprache beschäftigt und irgendwann ist die Idee zu einer Sammlung von Erklärungen für Fachwörter und Fremdwörter entstanden. Nun befinden sich hier auf Fachwort24.com über 500 Erklärungen für Fachwörter und die Sammlung wird regelmäßig erweitert.